Beschluss zur Kraftwerksstrategie des BMWK

29.Februar 2024

auf Vorlage des AK Energiemarkdesign

Wir fordern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und unsere Abgeordneten auf, die am 05.02.2024 und 20.2.2024 vorgelegte „Kraftwerksstrategie“ im Rahmen der jetzt laufenden Konsultationen mit folgenden Maßgaben zu überarbeiten:

 

1. Zielsetzung

Einziges Ziel der sogenannten  Kraftwerksstrategie sollte die Bereitstellung von flexibel zuschaltbaren Strombereitstellungstechniken zur Sicherung der Systemstabilität sein.

 

 

2. Energieeinsatz

Erdgas ist nicht unbedingt klimafreundlicher als Kohle. Daher:

  • Nur Gaskraftwerke, welche von Beginn an mindestens zu 65% mit Wasserstoff betrieben werden können oder welche mit Biomethan und Biogas betrieben werden, sind förderwürdig.
  • Es darf kein neuer Anreiz für Erdgasförderung entstehen.
  • Das Ausstiegssdatum für die Nutzung fossiler Gase muss auf 2035 festgelegt werden.
  • Ausschreibungen dürfen sich nur auf grünen Wasserstoff, Biogas und Biomethan beziehen, nicht auf Erdgas.

 

 

3. Systemdienlichkeit

  • Stromquellen, die die Systemstabilität garantieren sollen, sind nicht an Netzknotenpunkten sondern an unterversorgten Verbrauchszentren, aktuell in Süddeutschland anzusiedeln.
  • Neben der Strom-Systemdienlichkeit soll ein Fokus soll auf KWK und Dezentralität liegen.
  • Es soll die Flexibilisierung und Ökologisierung der Biogasproduktion und Biogas-Verstromung gefördert werden.
  • Es soll die Flexibilisierung von Lasten gefördert werden.

 

 

4. Technologieoffenheit

  • Welche (CO2-freien) Strombereitstellungsanlagen den Strom am kostengünstigsten bereitstellen, sollte der – konsequent auf die Erfordernisse einer effektiven Energiewende ausgerichtete – Markt entscheiden.
  • Die Ausschreibung sollte ermöglichen, dass Speicher und Erzeugungskapazitäten gleichermaßen an der Systemstützung teilhaben können. Erneuerbare Energien, Sektor-Kopplungsanwendungen (inklusive Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf der Basis erneuerbarer Energien) und insbesondere (dezentrale) Speicher aller Art (Batterien, thermische, insbesondere Hochtemperaturspeichern mit Rückverstromungsoptionen und  H2-Elektrolyse-und-Brennstoffzellenkombinationen) sollten in der Auktion gleiche Chancen haben.
  • Ein Förderprogramm für Wasserstoffkraftwerke im Umfang von 500 MW kann notwendig sein. Ein wesentlicher Beitrag zur Systemstabilisierung kann aber nur unter zahlreichen zusätzlichen Bedingungen glaubwürdig dargestellt werden.

 

 

5. Kostenfokus

Die Kosten, insbesondere die Netzentgelte, sind zunehmend entscheidend für Akzeptanz und Erfolg der Energiewende:

  • Wir müssen sicherstellen, dass die Kostenvorteile von erneuerbaren Energien bei Wirtschaft wie Verbraucher*innen ankommen, und nicht von immer höheren Systemkosten aufgegessen, bzw. sogar übertroffen werden.
  • Stellschrauben sind die Minimierung der Förderkosten (z.B. durch das Auktionsdesign) und die Kostentragung durch Vertriebe (statt durch Netzentgelte).

 

 

Hintergrund & Detailforderungen

Laut Pressemitteilung und Ausschussvorlage haben sich „der Bundeskanzler, der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und der Bundesfinanzminister darauf geeinigt, dass neue Kraftwerkskapazitäten im Umfang von bis zu 4 mal 2,5 GW als H2-ready Gaskraftwerke im Rahmen der Kraftwerksstrategie kurzfristig ausgeschrieben werden, die ab einem 2032 festzulegenden Umstiegs-Datum zwischen 2035 und 2040 vollständig auf Wasserstoff umstellen sollen.


Unsere Forderungen im Einzelnen:

  1. Zielsetzung und Einbettung in ein quantitatives Gesamtgerüst für die Gewährleistung der Systemsicherheit

Die sogenannte Kraftwerksstrategie verfolgt derzeit jedoch laut „Schriftbericht“ drei wesentliche Ziele:

  • Transformation und Dekarbonisierung des Stromsektors
  • Industriepolitisch den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beschleunigen
  • Versorgungssicherheit stärken

Diese drei Ziele stehen unpriorisiert nebeneinander. Die aktuelle Ausschreibung sollte sich auf das hier relevante Element konzentrieren: Die Bereitstellung von flexibel zuschaltbaren Strombereitstellungstechniken zur Sicherung der Systemstabilität. Denn das übergeordnete Ziel des 100% erneuerbaren Energiesystems macht es notwendig, dass zuschaltbare Stromeinspeisungselemente die Systemstabilität möglichst kostengünstig sichern. Daher sehen wir die Notwendigkeit, entsprechende Stromerzeugungskapazitäten vorzuhalten. Es ist jedoch nicht notwendig, künstlich Bedarf an Wasserstoff zu erzeugen, insbesondere wenn der nicht aus erneuerbaren Energien hergestellt werden muss.

Zudem stellt die vorgelegte „Strategie“ Zahlen in den Raum, die nicht wissenschaftlich motiviert scheinen. Daher muss die aktuelle Ausschreibung dringend  mit einer echte Systemstrategie unterlegt werden. Dabei gilt es insbesondere zu klären:

  • wie viel zuschaltbare Back-up Kapazität wird überhaupt benötigt?
  • Welche (anderen) Optionen stehen dazu absehbar zur Verfügung?

 

  1. Der Energieeinsatz muss konsequente Minimierung von fossilem Gas beinhalten:
  • Keine zusätzlichen Absatzmärkte für Gas.
  • Keine Anreize für neue fossile Gas-Infrastruktur.
  • Alle neuen Kraftwerke müssen ab Inbetriebnahme in der Lage sein, bis zu 75% H2 zu verwenden.
  • Nur grüner Wasserstoff kann gefördert werden.

 

Begründung:

  • 75% H2-fähige Kraftwerke stehen heute bereits zur Verfügung. Die Verankerung einer solchen Schwelle fördert automatisch die entsprechende Entwicklung auch bei anderen Herstellern und treibt die Ambition für einen Technologiesprung zu höheren H2-Anteilen ggf. auch noch in die Höhe.
  • Neue Erdgasquellen wie Shale Gas – insbesondere aus den USA – sind nicht klimaschonender als heutige Kohleverstromung. Aus Klimagründen werden neue mit Frackinggas betriebene Gaskraftwerke also nicht benötigt. Subventionen für neue Erdgaskraftwerke triggern aber die Erschließung von neuen (Shale Gas)-Bohrungen, welche extrem klimaschädlich sind und keinen Vorteil gegenüber bestehenden fossilen Kraftwerken bietet. Das IEA „Net Zero by 2050“-Roadmap fordert schon ab 2022 (das war vor zwei Jahren) den Verzicht auf die Erschließung neuer Gas- und Ölfelder sowie Kohle-Kraftwerke. Anders ist net zero nicht machbar
  • Ein Verzicht auf Erdgas als Brückentechnologie ist nicht nur machbar, sondern wäre auch innerhalb der Politik des BMWK konsistent, die z.B. im Rahmen der IKI Erdgasprojekte oder -planungen von der Förderung ausschließt.

Grundsätzlich kann nur grüner Wasserstoff in Frage kommen und kann gefördert werden.

 

  1. Systemdienlichkeit:

Entscheidendes Kriterium für die Standortwahl muss die Minimierung/Optimierung des Übertragungsnetzausbaus, nicht die Wiederverwendung existierende Standorte sein: Wie bereits die dena-Netzstudie gezeigt hat, ist die Systemstabilität weniger von einer niedrigen Wind- und Solarstromerzeugung bedroht als vielmehr von der Schwachlast-Starkwind-Situation, und zwar hier insbesondere im Süden Deutschlands.

„Netzdienliche Standorte“ im Sinne dieser Strategie sind daher nicht die aktuellen Kraftwerksstandorte, sondern Standorte, die den Süden Deutschlands versorgen, die sich also geographisch südlich von einer gedachten Linie Aachen-Hof befinden.

Systemdienlichkeit bedeutet, dass Übertragungsnetzausbau vermieden/optimiert wird und die Energie nah an den unterversorgten Verbrauchszentren in Strommangelregionen erzeugt wird, und nicht an bereits existierenden (Kohle-) Standorten. Nach dem Leitsatz: „So dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“ soll die Ausschreibung soll in frei bestimmbaren Größen aber in vorgegebenen Zonen und möglichst dezentral auf Verteilnetzebene erfolgen.

Die Abwärmenutzung sollte gewährleistet sein, auch wenn die Kraftwerke nur selten laufen.

 

  1. Technologieoffenheit

Welche (CO2-freien) Strombereitstellungsanlagen den Strom am kostengünstigsten bereitstellen, sollte der Markt entscheiden. Die Ausschreibung sollte ermöglichen, dass Speicher und Erzeugungskapazitäten gleichermaßen an der Systemstützung teilhaben können. Erneuerbare Energien,  Sektor-Kopplungsanwendungen (inklusive mit erneuerbaren Energien betriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) und insbesondere (dezentrale) Speicher aller Art (Batterien, thermische, insbesondere Hochtemperaturspeichern mit Rückverstromungsoptionen und  H2-Elektrolyse-und-Brennstoffzellenkombinationen) sollten in der Auktion gleiche Chancen haben.

Ein Förderprogramm für Wasserstoffkraftwerke im Umfang von 500 MW kann notwendig sein, ein wesentliche Beitrag zur Systemstabilisierung kann aber nur unter zahlreichen zusätzlichen Bedingungen glaubwürdig dargestellt werden.

BHKW im MW-Maßstab sowie Brennstoffzellen können heute bereits mit 100% Wasserstoff betrieben werden. Dezentrale Einbindung in Nahwärmenetze und Abwärmenutzung bei Elektrolyse und Rückverstromung von H2 ist damit möglich, sowie sinnvoll zur Erzielung von Gesamtsystemeffizienzen von bis zu 85% wie bereits demonstriert. Mit diesem Förderschwerpunkt soll KWK bei H2-Elektrolyse sowie Verstromung gefördert werden, sowie Technologie-Hersteller und die Wohnungswirtschaft unterstützt werden bei der Umstellung auf 65% erneuerbare Wärme. Auch der Einsatz von Brennstoffzellen soll ermöglicht werden.

Sinnvoll wäre aus unserer Sicht weiterhin:

  • Einbindung von EE /Speichern
  • Ausschreibung von Flexibilisierungsleistung bei BESTEHENDEM Biogas.
    • In 2024 stehen ca. 200 MW in ca. 2000 „ausgeförderten“ Anlagen zur Verfügung. Auch weniger produktive BGA, die noch in der Förderung sind, könnten hier wichtige Beiträge leisten (z.B. die für die Grundwasserqualität wichtigen Gülleanlagen)
    • Bestehende Biogasanlagen sollten systemdienlich umgerüstet werden um möglichst mit Anlagen-gekoppelten Biogasspeichern, Wärmespeichern, sowie intelligenter Steuerung gesicherte Leistung zur Verfügung zu stellen.
    • Das Marktdesign muss lokale Preissignale und dynamische Netzentgelte ermöglichen, die damit automatisch stehen Einsatz bereits vorhandener Flexibilität optimieren.
  • Ausschreibung von 2,5 GW gesicherter flexibel regelbarer Leistung aus 100% erneuerbaren Kombikraftwerken
    • In technologieoffener Weise soll die Bereitstellung von 100% erneuerbarer Regelleistung aus verschiedenen kombinierten erneuerbaren Energieanlagen gefördert werden, inklusive H2- und Stromspeicherung
  • Ausschreibung von 2,5 GW Verbrauchs-Flexibilisierung
    • Flexibilisierung trägt in erheblichem Ausmaß zur Sicherung der Stromsystemresilienz bei und spart den Bau von teuren nur temporär betriebenen Kraftwerken
    • Industrie und Wärmeverbraucher haben ein hohes Flexibilisierungspotential
    • Intelligente Mess- und Steuergeräte sowie Flexibilität anreizende Tarife auch für Mittelstand, Gewerbe und Endverbraucher, z.B. zur Nutzung von „Überschussstrom“, der momentan ggf. abgeschaltet wird
  1. Kosten

Die Kosten sind nicht nur ein volkswirtschaftliches Effizienzmerkmal. Insbesondere die ohnehin stark steigenden Netzentgelte stellen die Akzeptanz der Energiewende für Menschen und Unternehmen in Frage und sind daher zu optimieren. Wir fordern:

  • Eine Strategie zur Minimierung der Gesamtkosten, die die Systemdienlichkeit in den Vordergrund stellt (und nicht den Willen, möglichst viel Geld in Wasserstoff zu stecken). So sollte bei den Ausschreibungen nicht nur ein Höchstwert vorgegeben werden, sondern auch das Format der Dutch Auction mit pay as bid gewählt werden.
  • Die Kosten für die Kraftwerksstrategie sollten möglichst nicht über die Netzentgelte gewälzt werden und es ist zu prüfen welche andere Verteilungsmechanismen zielführender wären, etwa eine Veranschlagung der Kosten bei den Stromvertrieben. Neben der Verteilungsgerechtigkeit entstehen so im Sinne eines kostenminimierenden Wettbewerbs auch Anreize bei den Vertrieben für insgesamt systemdienliches Verhalten.

– Beschluss vom 29.Februar 2024 –
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