Änderungsantrag zu A-01 (Antrag des Bundesvorstandes)

Antragstellerin BAG Energie

Beschluss vom 23.6.2011

Zeile 199-207 streichen und stattdessen einfügen:

Wir müssen und werden die Sicherheit der noch laufenden AKW deutlich verbessern, DAS ist die eigentliche Lehre aus Fukushima. Wir – Bündnis 90/Die Grünen – stehen bei den BürgerInnen im Wort bei der atomaren Sicherheit während der Restlaufzeit nicht beide Augen zuzudrücken. Daher wollen wir die wichtigsten Sicherheitskriterien schrittweise der aktuellen Gefährdungslage anpassen und die Sicherheitsanforderungen im Atomgesetz selbst verankern.

Es kann nicht sein, dass  die Atomlobby in Hinterzimmer-Fachzirkeln selbst die Sicherheitsnormen festlegt, das muss das Parlament entscheiden!

Daher fordern wir einen Stufenplan für mehr atomare Sicherheit:

– Sofortmaßnahmen: Überprüfung deutscher AKW und gesetzlich fixierte Sicherheitskriterien

in Kraft treten des bereits fertigen neuen ‚Kerntechnischen Regelwerkes‘, das bei schwarz-gelb in der Schublade liegt!

Die verpflichtende Umsetzung des ‚Kerntechnischen Regelwerkes‘ und die wichtigsten Sicherheitsanforderungen müssen ins Atomgesetz selbst aufgenommen werden, ebenso wie der jetzige §7d ersetzt werden muss durch eine echte Betreiberpflicht zur Sicherheit. Mit den Überprüfungen der AKW nach dem neuen kerntechnischen Regelwerk und den offenen Prüfaufträgen aus dem ‚Stresstest‘ ist sofort zu beginnen.

– bis 2015 müssen die AKW neuen Umweltgefahren gegenüber geprüft werden:

Auch wegen des Klimawandels sind die Gefahren von Sturmfluten, Hochwassern und Stürmen gewachsen. Die Erdbebenwahrscheinlichkeiten wurden erhöht. Fukushima zeigt: AKW brauchen größere Sicherheitsreserven, als bei der Erbauung gedacht. Klimaexperten sollen die aktuellen Umweltgefahren prüfen und verbindliche Sicherheitskriterien festlegen.

– bis 2017 müssen AKW den neuen Gefahren des Terrors gewachsen sein:

Seit dem September 2001 wächst die Terrorgefahr mit jedem weiteren Krisenherd an. Deutsche AKW müssen ein akzeptables Schutzniveau gegen Terrorangriffe nachweisen, seien es Flugzeugabstürze, wie der eines A 380, Cyberattacken aus dem Internet oder direkte Attentate.

 

Begründung:

Einer ernsthaften Sicherheitsdebatte wurde zu wenig Zeit eingeräumt – wichtige bereits im Rahmen der Laufzeitverlängerung erarbeitete Sicherheitskriterien werden bislang nicht eingefordert, neue Erkenntnisse und Sicherheitsanforderungen des BMU nach Fukushima sind noch nicht ausgearbeitet, geprüft und rechtssicher umgesetzt worden.

Der ‚Stresstest‘ der Reaktorsicherheitskommission hat ergeben, dass es mehr Fragen und Untersuchungsaufträge als Antworten zur atomaren Sicherheit gibt.

Sie selbst fordert eine gründlichere seriöse Prüfung, zu der es bislang noch keine Zeit und keinen Auftrag gab.

Kein AKW erfüllt höchste Sicherheitsstandards, Sicherheitskriterien sind veraltet.

Eine seriöse ergebnisoffene Sicherheitsprüfung steht daher noch aus. Deren Ergebnissen kann man nicht einfach durch die Gewährung von Laufzeiten vorweggreifen.

 

In der Atomdebatte haben sich drei Diskussionsebenen etabliert, von denen die Diskussion um die Sicherheit von Atomkraftwerken zugunsten einer ‚Laufzeitendebatte’ vernachlässigt wird:

 

1) Debatte um Reststrommengen, Restlaufzeiten, Abschreibungszeiträume und Abschaltjahre:

 

Die Genehmigung von Restlaufzeiten, Abschaltdaten und Reststrommengen folgt einer Eigentums-Logik: im Kern dieser Logik steht der Besitzanspruch und Gewinnanspruch der Atomkraftwerksbetreiber als Eigentümer dieser Anlagen.

 

2) Debatte um den energietechnisch frühest möglichen Zeitpunkt die Atomkraftwerke endgültig abzuschalten:

Am ‚Energiesystem’ orientierte Debatte:

Die schwarz-gelbe Regierung verspricht den schnellstmöglichen Atomausstieg – ohne ihn auch durchzuführen. Der technisch frühest mögliche Atomausstieg ohne Risiko eines Black Out wäre bis Ende 2013 realisierbar, wie die BAG-Energie nachgewiesen hat. Bereits diesen Mai standen bis auf vier alle Atomkraftwerke still – allerdings im Sommer, bei niedriger Last und maximaler Solarstromerzeugung, welche die Stromnetze stabilisierte. Bis Ende 2013 werden laut Bundesnetzagentur netto mehr als 9000 Megawatt neuer Kraftwerkskapazitäten in Deutschland errichtet. Das reicht, um die Energiesicherheit auch bei Abschaltung aller Atomkraftwerke zu gewährleisten. Greenpeace hat einen Atomausstieg bis 2015 vorgestellt, das Umweltbundsamt sieht einen Ausstieg bis 2017 als problemlos machbar an.

 

3) Debatte um die Sicherheit von Atomkraftwerken – und das Risiko eines ‚Super-Gau’ mit katastrophalen Folgen:

An ‚Sicherheit und Risiko’ orientierte Debatte:

Technisch schwierigste Debatte:

Die technisch schwierigste Debatte ist die Debatte um die Sicherheit von Atomkraftwerken: die genauen Baupläne der Atomkraftwerke sind dem Bürger – aber auch dem Politiker – nicht bekannt. Sind denn heute bereits Notstromsysteme doppelt und dreifach vorhanden? Werden sie alle gleichzeitig ausfallen, wenn ein großes Hochwasser oder ein Brand kommt? Der Laie kann diese Fragen nicht beantworten. Daher entzieht sich die Sicherheitsdebatte am weitest gehenden der öffentlichen Debatte. Die Sicherheitsdebatte wird zu oft im blinden Vertrauen auf den Staat geführt.

Hohes Schadenspotential – unversichert:

Es ist zwischenzeitlich unstrittig, dass ein Super-Gau in Deutschland ähnliche – oder je nach Verlauf – möglicherweise auch größere Sach- und Personenschäden als in Japan anrichten würde. Dem – oft bereits abgeschriebenen – Besitz eines Atomkraftwerkes in Höhe von ca. 0,5  – 4 Mrd. EUR steht ein möglicher Sach- und Personenschaden von rund 5.500 Milliarden EUR gegenüber. Er ist wegen seiner Höhe unversicherbar – im Gegenteil: die Geschädigten selbst haften für ihren eigenen Schaden: die Bürger und ihr Staat. Zu Recht verlangen die Bürger daher von ihrem Staat einen wirksamen Schutz gegen diesen Kapitalschaden. Denn die AKW-Betreiber haben nur eine Haftungssumme von 2,5 Milliarden EUR gesichert.

Eigentum verpflichtet – auch AKW-Betreiber. Und gesetzliche Regelungen können dem Gewinnanspruch aufgrund gleich oder höherrangiger Rechtsgüter wie der Sicherheit oder dem Umweltschutz entgegenstehen: entschädigungsfrei selbstverständlich. So wird vom TÜV auch jedes nicht mehr verkehrstüchtige Auto sofort aus dem Verkehr gezogen, wenn der Besitzer die Reparatur nicht mehr lohnend findet – den Abschleppdienst zum Schrottplatz und die Verschrottung selbst zahlt noch der Besitzer! Denn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch ein unfallgefährdetes Auto, z.B. mit unzureichenden Bremsen oder die Gefährdung der Umwelt durch ein altes Auto mit zu schlechten Abgaswerten kommt in Deutschland nicht in Frage. Das Gesetz verbietet diese.

 

Bündnis 90/Die Grünen fordert eine gründliche seriöse und öffentliche Debatte über die Sicherheit von Atomkraftwerken und eine gesetzliche Verankerung der Sicherheitsstandards.

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