Beschluss der BAG Energie von Bündnis 90/Die Grünen, 24. Oktober 2014
Raus aus der Carbon Bubble – bevor sie platzt!
Als„Carbon Bubble“ oder Kohlenstoffblase wird die Überbewertung fossiler Ressourcen an der Börse bzw. den Finanzmärkten bezeichnet. Diese resultiert im Wesentlichen aus der Fortschreibung des bisherigen Wirtschaftsmodells des ressourcenintensiven Wachstums auf Kosten der Umwelt. Gerade die großen Rohstoffkonzerne und exportabhängige Staaten haben großes Interesse daran, möglichst hoch bewertete Reserven in ihrem Portfolio zu haben. Denn das bestimmt maßgeblich die theoretischen zukünftigen Gewinne und damit sowohl Börsenwert als auch Kreditwürdigkeit. Kein Wunder also, dass der Großteil der Investitionen der Konzerne in die Suche und Erschließung immer neuer Felder fließen.
Dabei steht die Welt vor einem Dilemma: Bereits bei vollständiger Förderung und Verbrennung der bekannten fossiler Reserven würden rund 3000 Gigatonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt. Um das 2-Grad-Limit nicht zu überschreiten, dürfen aber bis 2050 – je nach Schätzung – maximal nur weitere 565 – 886 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre entlassen werden. Das bedeutet also, dass mindestens zwei Drittel der bekannten Reserven genau da verbleiben müssen wo sie jetzt sind: unter der Erde. Sie dürfen nicht gefördert und verbrannt werden. Das ist eine klimapolitisch und ethisch notwendige Maßgabe. Doch sie steht den wirtschaftlichen Interessen von Konzernen und Staaten diametral gegenüber, denn damit müssten diese nicht förderbaren Reserven – das „unburnable carbon“ –mit Null bewertet werden. McKinsey und der Carbon Trust schätzen, dass der Firmenwert der Öl- und Gaskonzerne dadurch um ca. 30 – 40 % sinken würde.
Spätestens seit dem Aufsehen erregenden Bericht von Nicolas Stern ist der Klimawandel kein bloßes Umweltthema mehr, sondern auch Analysten befassen sich mit den Folgen. Allerdings ist bei vielen institutionellen Investoren wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds dieses Wissen noch nicht in die Anlagestrategie aufgenommen worden. Und die notwendigen klimapolitischen Entscheidungen, aus der Nutzung von kohlenstoffhaltigen Energien auszusteigen, sind auch noch nicht getroffen.
Eine von der European Green Foundation beauftragten Studie zeigt auf, dass europäische Banken, Versicherungen und Pensionsfonds teils erhebliche Anteile an Aktien, Anleihen und anderen Vermögenswerten von Rohstoffkonzernen halten; in der Summe ca. 1 Billion Euro. Sollte es zu einer konsequenten Klimapolitik und einem (auch nur teilweisen) Einhalten der CO2-Grenzen kommen, sind diese Konzerne überbewertet, Aktienkurse sinken, Dividenden bleiben aus. Hier drohen folglich Milliardenverluste, die im Zweifelsfall die Allgemeinheit schultern muss. Die Studie untersuchte drei Szenarien und stellte dabei fest, dass eine radikale Umkehr der Investitionen, weg von den fossilen Ressourcen – das sog. „Divestment“ – wirtschaftlich das Klügste wäre. Denn auch, wenn bei einer schnellen Wandlung zu einer auf Erneuerbaren und Effizienz basierenden Wirtschaft europäischen Banken, Versicherungen und Pensionsfonds Verluste in Höhe von 350-400 Mrd. Euro entstünden, wären die Auswirkungen der Alternativszenarien noch schlimmer. Einerseits inkonsequente Klimapolitik: Eine zaghafte Transformation, auch wenn die Emissionen letztendlich innerhalb des Kohlenstoffbudgets bleiben, verliefe langsam und ohne klare Zielsetzung. Dadurch würden die Verluste in der Summe erhöht, da fossile Brennstoffunternehmen weiterhin große Fehlinvestitionen tätigen würden, um neue Reserven zu erschließen. Andererseits eine Renaissance der Fossilen: Die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels würden zu riesigen Verluste für die gesamte Volkswirtschaft und damit auch für Finanzinstitute und Pensionsfonds führen. Versicherungen wären durch die enormen Entschädigungsleistungen am stärksten betroffen.
Es ist also eindeutig: Divestment, das Herausziehen von Kapital aus fossilen Anlagen, ist nicht nur aus ethischen Gründen geboten, sondern im Zusammenhang mit effektiver und ernsthafter Klimapolitik eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Dies haben bisher einzelne Akteure, von der „Institutional Investors Group on Climate Change“ bis hin zum Weltkirchenrat, erkannt, die meisten jedoch verharren in alten Denkschemata. Banken, Versicherungen und Pensionsfonds, die den Klimawandel nicht in ihre Anlagestrategie einbeziehen, riskieren das Geld der kleinen Sparer und somit das Rückgrat einer stabilen Volkswirtschaft. Durch ihre Investitionen wetten sie auf die Unfähigkeit von Politik und Gesellschaft, die Bekämpfung des Klimawandels wirksam anzugehen. Um die Erde auch für nachfolgende Generationen zu erhalten, müssen wir – auch gegen hartnäckige Widerstände – dafür kämpfen, dass der überwiegende Teil der CO2-freisetzenden Energieträger im Boden bleibt – mit dem Ergebnis der beschriebenen Folgen: das Platzen der Carbon Bubble.
Die BAG Energie fordert als kurzfristig umzusetzende Maßnahmen in diese Richtung:
- Öffentliche oder durch öffentliche Mittel unterstützte Institutionen und Firmen (Landesbanken und Sparkassen, Stiftungen, landeseigene Betriebe, Kranken- und Rentenversicherungen, Stadtwerke etc.) müssen das Geld aus fossilen Anlagen herausziehen (aktives Divestment).
- Anlegerinnen und Anleger müssen selbst entscheiden können, ob sie in fossile Anlagen investieren wollen oder nicht, da diese ein erhebliches wirtschaftliches Risiko und eine ethischen Last darstellen. Deshalb brauchen wir absolute Transparenz bei Fonds, Versicherungen und Pensionskassen.
- Die Einflüsse des Klimawandels auf die Sicherheit von Anlagen müssen als Kriterium zur Beurteilung des Systemrisikos in die nationale und europäische Bankenüberwachung sowie ins BASEL-Regelwerk aufgenommen werden.
- Die Förderpolitik der Bundesrepublik muss dringend und sofort geändert werden. Die KfW muss Bürgschaften und Darlehen für fossile Investitionen im In- und Ausland aus ihrem Angebot streichen. Die Richtlinien für Hermes Hermes-Exportgarantien müssen so angepasst werden, dass es keine Unterstützung für nicht ökologisch nachhaltige Projekte mehr gibt.
Wir appellieren an alle GRÜNEN Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ein schnellstmögliches Divestment auf kommunaler, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene einzusetzen.
Jedes einzelne GRÜNE Mitglied kann sein/ihr Interesse an einer fossilfreien Investion seines/ihres Geldes bei Hausbank und Versicherung geltend machen und im Zweifelsfall den Anbieter wechseln.