Energiepolitischer Grundsatz-Beschluss: Energie für alle. Bezahlbar und sicher
Der Umbau des fossilen Energiesystems zu einem erneuerbaren ist nicht aufzuhalten. Diese Transformation aktiv voranzutreiben, sichert unsere Zukunft und sorgt für Gerechtigkeit. Wir Bündnisgrüne kämpfen schon lange für eine konsequente Dekarbonisierung, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Zwar ist das gesellschaftliche Grundgefühl bedrückt – multiple Krisen und großer Veränderungsdruck lähmen. Aber wir sind die Partei der Lösungen.
Wir wollen wieder mehr Spaß am Klimaschutz wecken. Damit Deutschland und Europa im Wettbewerb mit China und den USA bestehen, bringen wir die enormen Kostenvorteile der Erneuerbaren Energien zu den Menschen und den Unternehmen.
Mit grüner Energiepolitik macht Dekarbonisierung Freude, nicht Angst, regt zum Mitmachen an, und wird zum Win-Win-Win-Projekt für Bürger*innen, Industrie und das Klima. Zwar sind große Investitionen und Umbaumaßnahmen, insbesondere der Infrastrukturen notwendig. Aber wir stemmen sie klug, effektiv, kosteneffizient, naturverträglich und gleichermaßen generationengerecht und sozial gerecht. Dafür stellen wir strategisch die entscheidenden Weichen und ermöglichen möglichst Vielen die Transformation mitzugestalten, voranzutreiben und davon zu profitieren.
Gemeinsam investieren wir in unsere europäische Unabhängigkeit, anstatt Energie weiterhin aus fossilen Autokratien zu importieren.
Dieser Grundsatzantrag zeichnet unser energiepolitisches Leitbild dafür.
Das Fundament ist gelegt
In der laufenden Legislaturperiode haben wir – trotz der enormen Beeinträchtigungen der Energiewirtschaft durch die russische Invasion der Ukraine – die Wende in der Energiepolitik vollzogen und die klimagerechte Transformation unserer Volkswirtschaft aufs Gleis gesetzt. Dabei geben klar formulierte Emissionsreduktionsziele und Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien Orientierung, sorgen für Planungssicherheit und langfristige Investitionen.
PV- und Wind-Ausbau sind endlich wieder entfesselt. Bei Wind an Land haben wir die gezielte jahrelange Sabotage der Vorgängerregierungen beendet und lähmende Bürokratie abgebaut. Mieterstrom, Bürgerenergie und Balkonsolar sind einfacher geworden und lassen alle an den Erneuerbaren teilhaben. Für Freiflächen-Photovoltaik gibt es nun Anreize möglichst naturverträglich oder sogar biodiversitätsfördernd zu bauen. Mit dem Nature Restoration Law und dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz werden Wälder, Meere und Moore gestärkt, um Lebensräume zu schaffen und sie als Kohlenstoffspeicher und Treibhausgassenken zu nutzen. Der Netzausbau ist laut Bundesnetzagentur nun 15mal schneller und auch die seit Jahren überfällige konsequente Umorientierung der Netzentgelte und anderer Abgaben für ein dezentral-erneuerbares System ist angestoßen. Das Wasserstoffkernnetz ist im Aufbau. Nach dem Einstieg in die Kapazitätsmärkte übertragen wir den Erneuerbaren nun Schritt für Schritt mehr Systemverantwortung. Durch die Reform des EU-Emissionshandels (ETS2) müssen die Nutzer fossiler Energieträger endlich einen größeren Teil der von ihnen verursachten Umwelt- und Gesundheitskosten selbst tragen. Dadurch wird klimaschädliches Verhalten absehbar immer unattraktiver. Dabei ermöglichen wir Haushalten, Gewerbe und Industrie ihre Energieversorgung planbar auf Erneuerbare Energieträger umzustellen. Insbesondere bei der Wohn-Wärme gibt es durch die kommunale Wärmeplanung mehr Klarheit, so dass Millionen von Haushalten den mit Abstand größten Teil ihres Energiebedarfs künftig kostengünstig und versorgungssicher decken werden. Der pan-europäische Energiemarkt und integrierte Infrastrukturplanung sowie internationale Kooperationen und Partnerschaften helfen uns erfolgreich zu sein.
Nun gilt es, auf diesem soliden Fundament zügig eine bezahlbare, sichere und nachhaltige Versorgung mit Erneuerbaren Energien aufzubauen – dezentral, effizient und schnell. Durch eine konsequente Ermöglichungspolitik mobilisieren wir (günstiges privates) Kapital, Wissen, Einfallsreichtum und Tatkraft von Bürger*innen und Unternehmen. Durch haushaltsneutrale smarte Absicherungsmodelle und intelligente Regulierung senken wir die Finanzierungskosten, ermöglichen einen sich selbst tragenden EE-Ausbau und entlasten Strompreise und Bundeshaushalt.
Noch importieren wir Jahr für Jahr für 400 Milliarden Euro fossile Energien nach Europa. Auf den Weltmeeren transportieren vier von zehn Schiffen Öl, Gas oder
Kohle. Die 600 Milliarden Euro, die in Europa in der ersten Phase der Transformation jährlich in die in die Energiewende investiert werden sollen,
sichern dagegen eine langfristig ausgeglichene Handelsbilanz, Arbeitsplätze und Resilienz bei uns. Wir setzen auf Investitionen statt auf Importe.
Das Gesamtsystem im Blick: dezentrale Erzeugung, flexible Nutzung, preiswerter Ausbau
Gerade weil die Transformation hohe Investitionen erfordert, achten wir besonders auf die Kosten. Intelligente Steuerung und kluge Regulierung können die notwendigen Investitionen minimieren und wirtschaftlicher machen. Dabei helfen die konsequent dezentral-erneuerbare Ausrichtung des Systems, neue Technologien, Wettbewerb, die systematische Minimierung der Finanzierungskosten, die konsequente Nutzung regionaler Stärken sowie die Flexibilisierung von Verbrauch. Schlagkräftige, an einer 100%-Erneuerbaren Energieversorgung orientierte regionale Energiemärkte gewährleisten das kostenoptimale Zusammenspiel moderner Technologien. Speicher und die Sektorkopplung ergänzen und ersetzen zum Teil den Netzausbau. Bestehende Speicher wie Pumpspeicherkraftwerke und steuerbare Erneuerbaren-Kraftwerke wie nachhaltige Biogasanlagen können in diesem Marktdesign rentabel arbeiten, ohne dass Subventionen nötig sind.
Wärmespeicher und Batterien von Elektroautos können dezentral und im Zusammenspiel mit Solarthermie und Umweltwärme den Strom nutzen, der gerade nicht direkt gebraucht wird. Die intelligente Ausgestaltung von lokalen Märkten sorgt dafür, dass konsequent immer die Technologie und der Akteur gewählt wird, die das Netz am schnellsten und kostengünstigsten ertüchtigen und entlasten. Das senkt die Kosten des Gesamtsystems.
Eine Strommarktreform ist dafür der Ausgangspunkt. Sie ermöglicht, dass viele Akteur*innen selbst Strom und Wärme erzeugen und verbrauchen. Durch dezentraleResilienz wird die Systemsicherheit nicht nur garantiert sondern sogar noch gesteigert. Nachfrage- und bedarfsorientierte geographische Differenzierung sind
dazu unerlässlich und helfen gleichzeitig bei „Dunkelflaute“ und „Sonnensturm“, also temporäres Unter- und Überangebot an Erneuerbarem Strom effizient zu
bewältigen.
Wir prüfen – im Einklang mit europäischen Vorgaben – verschiedene Modelle für regionale Strom- und Energiemärkte und wählen den kosteneffizientesten Weg. Die staatliche Regulierung der Verteilnetze richten wir konsequent auf die effiziente und effektive Integration der Erneuerbaren Energien in regionale Wärme- und Mobilitätsmärkte aus. Sie berücksichtigt, dass Strom, der lokal verbraucht wird, nicht weit transportiert werden muss. Sie sorgt auch dafür, dass die Netzentgelte im Rahmen bleiben und fair getragen werden.
Die Netze werden regionalspezifisch ertüchtigt. Die bestehende Auslastung der (Verteil-)Netze erhöhen wir, beispielsweise mit regelbaren Ortsnetz-Trafos, modernen Geschäftsmodellen und intelligenter Verbrauchssteuerung, um den Netzausbaubedarf zu minimieren. Dabei sind Speicher als Netzelemente und die Flexibilisierung der Nachfrage essenzieller Teil der Planungen. Da Erneuerbare-Energie-Anlagen nur selten 100% der installierten Leistung einspeisen, treiben
wir die gemeinsame Nutzung von Netzanschlüssen für Windenergie- und PV-Anlagen, Speicher und zuschaltbare Lasten voran und ermöglichen eine Überbauung der Anschlusspunkte von mindestens 150%. Im Rahmen ihrer regionalen Energiemärkte können die Marktteilnehmenden damit Solarenergiespitzen und -defizite weitgehend zwischeneinander verteilen und gemeinsam ausregeln. Windenergie ist nie gleichmäßig über Europa verteilt. Insbesondere hier lohnt daher der paneuropäische Ausgleich. Das berücksichtigen wir in der europäischen Infrastrukturplanung, die wir zu einer EU-weit-integrierten, nutzungsoptimierten und sektorintegrierten Planung ausbauen. Dabei denken wir Strom- und Wasserstoffinfrastruktur gemeinsam.
Die Aufgabe des Staates ist es, den Rahmen vorzugeben und idealerweise die Infrastruktur bereitzustellen. Aber eine umfassende Transformation des Energiesystems lässt sich nicht bis ins Kleinste vor- und durchplanen. Deshalb gehen wir pragmatisch vor. Wir schreiben nur die wesentlichen Regelungen in Gesetze, um Planungssicherheit und Klarheit über den Pfad zu schaffen. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt untergesetzlich, um kleinere Korrekturen schnell vornehmen zu können. Hierzu schaffen wir Feedback-Möglichkeiten für Verbraucher*innen und Unternehmen. Zusätzlich überprüft die Regierung aktiv im Rahmen von regelmäßigen Praxis-Checks, welche Regelungen wirklich notwendig sind. Unnötige Regelungen werden abgeschafft. Durch verstärkten Bürokratieabbau vereinfachen und beschleunigen wir Prozesse und senken Kosten. Dabei setzen wir auf „Ermöglichen statt Kontrollieren“. Regelungen, die jede Eventualität berücksichtigen, erschweren das wirtschaftliche Handeln. Der Bürokratieabbau wird durch einen jährlichen Monitoringbericht dokumentiert.
Die Energiewende nützt allen – sie gelingt aber auch nur mit allen!
Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Wir alle profitieren – finanziell, aber auch sozial – am meisten, wenn alle mitmachen und teilhaben können: Bürgerenergie und Beteiligungsmodelle, Energiewendefonds und Eigenkapitalanteile machen die hohen Investitionen gemeinschaftlich und mit niedrigem Risiko erschwinglich und sichern dadurch niedrige Energiekosten.
Lösungsorientierte Kommunikation, die Optimismus und Zuversicht ausstrahlt, ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen, gemeinschaftlichen Energiewende: Für alle Beteiligten muss klar sein, wie das geht. Alle können, alle sollen mitmachen; alle können, alle sollen profitieren:
- Die Kommunen organisieren lokalintegrierte Infrastrukturplanung und stellen Infrastruktur gegebenenfalls auch bereit. Sie schaffen zudem eine Plattform für gemeinschaftliche Finanzierungen, unabhängiger Beratung sowie Bündelung von Nachfrage und Angebot. Auch und gerade im ländlichen Raum. Insbesondere durch die kommunale Wärmeplanung haben sie eine besondere Rolle beim Leiten individueller Investitionsentscheidungen. Gute Bürgerbeteiligung und Kommunikation sind daher elementar. Leider waren die mittelgroßen und kleinen Kommunen mit dieser Aufgabe bisher noch regelmäßig überfordert. Es fehlte an Personal, an Problembewusstsein und oft auch an dem Willen zur Transformation in den Entscheidungsgremien. Wir unterstützen sie in finanzieller und personeller Hinsicht vorrangig und verstetigen und erweitern die Förderung, insbesondere um Investitionsförderungen. Dafür gibt es in den Ländern schon gute Beispiele, auf denen wir aufbauen.
- Industrie und Prosuming, also zunehmende Eigenversorgung im privaten, kommunalen und wirtschaftlichen Bereich, spielen eine entscheidende Rolle in den neuen regionalen Energiemärkten. Die Industrie kann dort Energieüberschüsse und Abwärme „teilen“ und kann sich in lokalen Überschusszeiten preiswert mit Strom versorgen. Netzentgeltregulierung, Umlagen- und Steuersysteme richten wir konsequent so aus, dass systemdienliches Verhalten belohnt statt bestraft werden.
- Um die Kostenvorteile der Erneuerbaren auch in die Mobilität zu bringen, machen wir grünen Ladestrom auch unterwegs erschwinglich. Dafür öffnen wir – wie im LKW-Bereich schon geschehen – auch für PKW alle Ladesäulen für den Wettbewerb. Zudem verpflichten wir die Netzbetreiber für ein ausreichendes Infrastrukturnetz zu sorgen. Das kostet weniger als Anreize und Subventionen und ist außerdem effektiver. Auch einfache und standardisierte Bezahlung mit Kreditkarten sollte an allen Ladesäulen möglich sein, ohne erst ein Konto beim jeweiligen Betreiber in einer App anlegen zu müssen.
Die Energiewendekosten müssen sozial und fair getragen werden
Der Umbau des Energiesystems stellt unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Gruppen vor unterschiedliche Herausforderungen:
- Die Industrie muss sich auf die neuen Energien und Märkte einstellen können. Dafür ist neben einer kohärenten Regulierung vor allem langfristige Planungssicherheit notwendig. Das gilt sowohl für die Erzeuger wie auch die Abnehmer erneuerbarer Energien, wie auch für Dienstleister. Förderinstrumente und Infrastrukturplanungen müssen langfristig und verlässlich angelegt sein. Der Abbau bürokratischer Hürden verringert zudem die Kosten. Die Energie nutzenden Unternehmen profitieren von neuen Infrastrukturen und kostengünstigen Erneuerbaren Energien. Sie leisten einen aktiven Beitrag zum neuen Energiesystem, nicht nur durch ihren Finanzierungsbeitrag, sondern auch durch die Flexibilisierung des Energieverbrauchs und der Eigenerzeugung. Intelligente Energieversorgung bietet Arbeitsplatz- und Wachstumschancen und eine Entwicklung der industriellen Landschaft und Arbeitsplatzstruktur, die neue zukunftsfähige Bereiche einschließt. Auch wenn sich viele Arbeitsplätze in der Industrie natürlich verändern werden, so befeuert die intelligente Energiewende doch die Wirtschaftsleistung und sichert den Wohlstand jeder und jedes Einzelnen. Denn sie hilft unserer Industrie international wettbewerbsfähig zu bleiben.
- Die Verbraucher*innen erleben und spüren insbesondere die Wärme- und Mobilitätswenden. An diesen führt kein Weg vorbei. Aber die Lebenssituationen der Menschen sind unterschiedlich. Einige können ihre Energieversorgung problemlos selbst dekarbonisieren und von langfristig kostengünstigen Erneuerbaren profitieren. Anderen fehlt dafür der finanzielle Spielraum.
Um auf die unterschiedlichen Ausgangssituationen einzugehen, braucht es starke Unterstützung – ein Paket aus individueller Beratung, praktischer Hilfe und finanziellen Maßnahmen. Für Hausbesitzer*innen muss die Vielfalt der Finanzierungsinstrumente für Investitionen in Heizungstausch und Energieeffizienz deutlich erhöht werden. Zuschüsse und Kredite müssen durch kooperative und kommunale Finanzierungsmodelle ergänzt werden. Menschen, für die auch eine günstige Finanzierung unerschwinglich ist, unterstützen wir durch innovative Angebote wie etwa ein „umgekehrtes Erbbaurecht“, bei dem die Kommunen ihre Vorkaufsrechte nutzen, um mit Bundeshilfe finanzielle Mittel für Investitionen am Gebäude zur Verfügung zu stellen. Für die Verteilung der Lasten
bei vermieteten Objekten gilt das Drittelmodell – Eigentümer*innen, Mieter*innen und die öffentliche Hand teilen sich die Belastung. Ein warmes Zuhause ist ein Grundrecht. Mit erneuerbarer Wärme muss in Deutschland niemand frieren.
- Das Klimageld ist zentral, aber der Staat muss zudem in die Transformation investieren. Ein stark steigender, möglichst bald kosten-, beziehungsweise schadensadäquater CO2-Preis sendet unverfälschte Preissignale und sorgt damit für eine volkswirtschaftlich effizientere Allokation von Kapital. Ein solcher Preis führt aber zu hohen sozialen Belastungen und ist deshalb nur in Kombination mit einem sozial gestaffelten, EU-rechtskonformen Klimageld denkbar. Einige Sektoren sind aber so sehr an Fossile gebunden – sei es über noch nicht abgeschriebene Leitungssysteme oder andere vorhandene Technik, die sich nicht einfach umbauen lässt – dass ein höherer CO2-Preis allein nicht zu einer Veränderung führt. Deshalb investieren wir durch gezielte Fördermaßnahmen, wie zum Beispiel mit Investitions- und Abwrackprämien, in eine effektive Transformation und nehmen dabei besonders die trägen Teile des Energiesystems in den Blick.
Kluge Finanzierung
Der konsequente Umbau unseres Energiesystems sichert uns langfristig günstige, grüne Energie, erfordert aber gleichzeitig Investitionen in Billionenhöhe. Hierzu müssen Finanzmittel mit niedrigen Zinssätzen zur Verfügung stehen. Um diese zu mobilisieren, gibt es einige Möglichkeiten:
- Die systematische Nutzung von sogenanntem „geduldigem Kapital“ von Infrastrukturfonds und anderen Investor*innen, die vor allem an
langfristig sicheren Anlagen und nicht an besonders schnellen oder hohen Erträgen interessiert sind, schafft unter anderem sichere Beteiligungs- und Anlagemöglichkeiten für Bürger*innen, erhöht die Eigenkapitalbasis und senkt Kapitalkosten;
- Langfristige Planungssicherheit – also langfristig konstante regulatorische Rahmenbedingungen, konsistente Infrastrukturplanung und konsequente Umsetzung – über Legislaturperioden hinweg, reduziert das unternehmerische Risiko;
- Instrumente wie Regulierung, Ausfallgarantien, Preisgarantien (von Absicherungsmechanismen bis hin zu Ober- und Untergrenzen), liquide Derivatemärkte, und neuartige Finanzmechanismen reduzieren die Kapitalkosten.
Diese und weitere Instrumente setzen wir systematisch und gezielt ein. Dabei achten wir darauf, dass nicht das Risiko vergesellschaftet aber die Gewinne privatisiert werden. Gleichzeitig gilt es, die erforderlichen Investitionssummen zu minimieren. Dabei setzen wir auf Marktreformen, die Anreize für effiziente Investitionen sowie systemdienliches und effizientes Verhalten bieten und gleichzeitig Volatilitäten und Unsicherheiten vermeiden.
Wenn die Versorger weniger hohe Risikoprämien bei ihren Investitionen einpreisen müssen, z.B. durch langfristige Sicherheit auf der Einnahmeseite, können sie
ihre Dienstleistungen kostengünstiger anbieten. Wir prüfen für alle natürlichen Monopole – insbesondere auch die Fernwärmenetze – ob die aktuellen Regulierungen den Verbrauchenden- und Investierendenschutz angemessen berücksichtigen. Wo das nicht der Fall ist, verlängern wir die Bindungsfristen, zum Beispiel die zur Refinanzierung von Wärmenetzen.
Erneuerbare sind längst wettbewerbsfähig. Durch ein Marktdesign, das Sonne, Wind und Speicher konsequent in den Mittelpunkt stellt, lösen wir dieses Versprechen ein und sichern Vorrang sowie auskömmliche Refinanzierung der Erneuerbaren dauerhaft – und grundsätzlich ohne Subventionen. Die historischen Kosten für den erfolgreichen Markthochlauf der Erneuerbaren durch das EEG refinanzieren wir außerhalb des Strommarktes. Grüner Wasserstoff und seine Derivate können eine wichtige Rolle sowohl bei der Speicherung der Erneuerbaren, als auch bei der direkten Nutzung zur Dekarbonisierung in den Sektoren spielen, in denen Effizienzmaßnahmen und Elektrifizierung technisch und wirtschaftlich an ihre Grenzen stoßen. Der Aufbau des Wasserstoffmarktes fokussiert auf die Lösungen,
die auf Erneuerbaren Energien basieren. Eine marktorientierte Ausrichtung der Maßnahmen sorgt dafür, dass sich dieser Markt schnellstmöglich selbst trägt.
Öffentliche Mittel werden immer mit dem Ziel der eigenständigen marktwirtschaftlichen Tragfähigkeit zeitlich begrenzt. Dauerhafte Subventionierung ist teuer und ineffektiv. Wir setzen bei Marktanreizprogrammen auf zeitlich regressive Förderungen um Anreize für „First Mover“ zu geben.
Neue Paradigmen – flexibel, dezentral, digital
Warum das Ganze? Neue Technologien verändern die Energiewirtschaft gerade weltweit. Fundamental und schnell. Neben den neuen Energiequellen und Energieträgern setzen sich auch bei der Systemstabilisierung, digitaler Messung und Steuerung, Daten- und Signalverarbeitung, Speicherung, Dekarbonisierung der Industrie und Flexibilisierung von Verbrauchenden neue Technologien durch. Zunächst gewinnen sie nur langsam Marktanteile, so dass der Paradigmenwechsel kaum spürbar ist. Aber in den nächsten 10 Jahren werden diese Marktanteile exponenziell wachsen. Menschen unterschätzen solche dynamischen Entwicklungen oft – wie bei Smartphones und dem Übergang vom Pferd zum Auto. In der Rückschau werden wir uns fragen, wie das Neue so plötzlich wachsen konnte und das Alte in so kurzer Zeit fast vollständig verschwand.
Diesem Neuen müssen wir die angemessenen Strukturen bieten. Wenn wir in den alten Strukturen bleiben, verhindern wir nicht nur Veränderung, sondern verschenken die Vorteile der neuen Energien – niedrige Energiekosten und hohe Energiesicherheit. Und nur mit Wandel können wir hoffen unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die existierenden Strukturen sind noch an die alten Technologien angepasst. Da Kohle- und Atomkraftwerke am wenigsten
ineffizient waren, wenn sie als Großanlagen gebaut wurden und möglichst gleichmäßig rund um die Uhr liefen, wurde ihnen eine entsprechende Infrastruktur gebaut, Nachtarbeit subventioniert und der Industrie für gleichmäßigen Verbrauch bis zu 90% der Netzentgelte erlassen.
Aber diese Zeiten sind vorbei. Mit digitalen, dezentralen Technologien ergeben sich völlig neue energiewirtschaftliche Paradigmen. Und auf diesen Wandel müssen wir uns nicht nur einstellen. Wir sollten ihn treiben. Denn nur so wird die dringend notwendige Dekarbonisierung gelingen.
Die neuen Technologien – Digitalisierung, Speicher und Steuerungs- und Regelungstechnik – ermöglichen und fordern neues Denken: Stromerzeuger*innen und -verbraucher*innen werden gleichberechtigte Marktteilnehmer*innen, agieren flexibel und systemdienlich, dezentral und regional:
- Flexible Nutzung statt „Grundlast“ ist der Normalfall.
- Die Systemverantwortung wird von vielen kleinen bis mittleren Teilnehmer*innen am Energiemarkt getragen. Systemstabilität geht alle an – und systemdienliches Verhalten wird entsprechend honoriert.
- Die Digitalisierung orchestriert vollautomatisch das Zusammenspiel vieler kleiner, verteilter Anlagen.
Der wichtigste Gedanke ist jedoch das Ermöglichungsparadigma: Der Umbau gelingt nur, wenn möglichst viele an möglichst vielen Stellen gleichzeitig anpacken, indem sie Erzeugung zubauen, Effizienzen erhöhen und Lasten flexibilisieren. Die Regeln setzen wir so, dass das möglich und wirtschaftlich vorteilhaft ist. Wir stellen die Anreize vom Kopf auf die Füße, so dass viele aktiv am Energiemarkt teilnehmen und ihre Kosten minimieren können. Durch lokale Preise und sinnvolle Verteilung der Systemkosten setzen wir die Anreize so, dass die Teilnehmenden am Energiemarkt die Systemkosten minimieren – weil es in ihrem eigenen Interesse ist.
Das Energiesystem der Zukunft ist preiswerter, denn die Stromerzeugung aus Sonne und Wind ist unschlagbar günstig. Europa ist einer der windreichsten Kontinente der Erde und Photovoltaik ist mittlerweile so günstig, dass selbst in Spitzbergen damit viel Strom erzeugt wird. Nicht Sonnen- und Windstunden, sondern Investitionen in unsere Infrastruktur bestimmen den Preis der Energieversorgung der Zukunft. Hier setzen unsere Vorschläge an.
Eine besondere Rolle kommt dabei Speichern aller Art zu. Sie sind die zentrale Technologie zum „Ernten“ und „Aufbewahren“ großer Energiemengen – sie
überbrücken zeitliche Lücken zwischen hoher Energiebereitstellung und hoher Energienachfrage. Wir benötigen gleichermaßen saisonale und Kurzzeitspeicher. Sie überwinden Sektorengrenzen, da sie Energiemengen zwischen Strom, Wärme und Mobilität hin- und herschieben können. Daher rücken wir sie ins Zentrum der Energiesystemplanung und auch der Regulierungs- und Förderlogik.
Nicht erst seit dem Überfall Putins auf die Ukraine wissen wir: Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. Der konsequente Umstieg auf Erneuerbare verhindert erneute einseitige Abhängigkeiten von Rohstoff-Diktaturen. Sonne und Wind sind überall verfügbar. Energieimporte im großen Stil sind daher weder nötig noch wirtschaftlich vernünftig.
Dauerhafte Energiesicherheit entscheidet sich künftig nicht mehr durch den Zugriff auf Brennstoffe, sondern durch den sicheren Zugang zu kritischen Rohstoffen und resiliente Lieferketten. Die Kosten und Verfügbarkeiten der neuen Technologien werden im Wesentlichen durch Skaleneffekte bestimmt. Je mehr von den sauberen Technologien produziert und genutzt wird, desto günstiger werden sie. Die entscheidenden Erfolgsfaktoren dabei sind Größe, Kapitalkosten und Zugang zu Rohstoffen. Auch wenn wir hier mittlerweile weit ins Hintertreffen geraten sind: Zusammen mit unseren europäischen Partner*innen können wir Produktionskapazitäten und Märkte so aufbauen, dass wir unsere geostrategische europäische Resilienz mit den entscheidenden Transformationstechnologien sichern.
Apropos Europa: Wir können und müssen in der EU auch mehr, schneller und viel systematischer voneinander lernen. Vieles wurde durch den energiepolitischen Tiefschlaf der GroKo verpasst und klingt nun für Deutschland exotisch, während die meisten europäischen Länder schon langjährige praktische Erfahrungen, z.B. mit Strompreiszonen, Smart Metern, Energy Sharing sowie solarer Fernwärme haben. Diesem europäischen Innovationswettlauf stellen wir uns – und nutzen ihn um die gesamte EU schneller und günstiger zu dekarbonisieren.
Begründung (nicht Teil des eigentlichen Antrags):
Klimaschutz ist unser Markenkern. Vor allem aber tut er dringend Not – dazu genügt mittlerweile (leider) ein Blick in die Nachrichten – oder nur aus dem Fenster! Damit wirksamer Klimaschutz gelingt, muss er bezahlbar sein, Spaß machen und alle mitnehmen! Die GEG-Debatte, die aktuelle Sorge um die Zukunft der deutschen Industrie, aber auch erfolgreiche Energiewende-Projekte im ganzen Land zeigen überdeutlich: Die Energiewende und der Umstieg in eine klimaneutrale Wirtschaft gelingen nur MIT den Menschen und Unternehmen. Die Kostenvorteile der Erneuerbaren müssen vor Ort ankommen – dann macht die Energiewende Freude. Dann packen alle mit an. Und dann sichern wir unsere Zukunft – gerade noch rechtzeitig.
Dieser Antrag zeigt, was dazu in der zweiten Hälfte dieser Dekade und in Folge bis 2040 nötig ist. Und was alles möglich ist. Auch und gerade, weil die Herausforderungen groß sind, wollen wir Mut machen. Denn die Chancen sind NOCH größer!
Packen wir es an – gemeinsam!
Unsere Vorschläge haben wir in einem intensiven Konsultationsprozess mit allen wichtigen Stakeholder*innen innerhalb und außerhalb unserer Partei erarbeitet. Wir haben unter anderem Anhörungen mit den führenden Umwelt- und Verbraucher*innenschutzverbänden, Gewerkschaften, Energie- und Industrieverbänden sowie weiteren wichtigen Stakeholdern durchgeführt. Zudem fußt der Antrag natürlich auf unserer gezielten energiepolitischen Programmarbeit. Dabei standen in den letzten Jahren insbesondere Energiemarkt-Design, sozial-gerechte Wärmewände, Teilhabe für alle und eine bessere Finanzierung der Energiewende im Mittelpunkt. Einen Überblick über die Beschlüsse, die diesem Antrag zugrunde liegen findet ihr hier: https://www.bag-energie.de/cms/category/beschluesse/
Hier noch weitere technische Erläuterungen, die aber für den eigentlichen Antrag zu detailliert sind:
- zum Mythos „Dunkelflaute“: Stärker als unter der „Dunkelflaute“ leidet das Stromsystem „Sonnensturm“ – also den Zeiten, in denen zu mehr Strom durch Wind- und Solarparks erzeugt wird als durch eine gerade schwache Nachfrage benötigt wird. Die Marktsituation zu diesen Zeiten ist nicht mehr vermittelbar, da Stromerzeuger*innen müssen für die Abgabe ihres Stromes bezahlen. Die Erneuerbaren werden teuer, wenn man sie nicht rechtzeitig abstellt, obwohl Sonne und Wind keine Rechnung schicken.
- Zu den regionale Energiemärkten: Sie sind unabdingbar, um die teuren Fehlsteuerungen, die durch den einheitlichen nationalen Strommarkt entstehen, zu vermeiden. Dazu gehört, dass Wind- und Solarenergieanlagen im Süden abgeregelt werden, wenn im Norden der Wind weht, auch wenn die Übertragungsnetze nicht ausreichen, um den entsprechenden Strom aus dem Norden in den Süden zu transportieren. In Folge verdrängt auch, dass Kohlestrom erneuerbaren Strom aus dem Netz. Dazu gehört auch, dass Stromeinkäufer*innen (z.B. energieintensive Industriebetriebe in Süddeutschland) lieber billig im Norden einkaufen als vor ihrer Haustür. Die Übertragungsmehrkosten und die Preisdifferentiale werden dann aber durch den Ausgleich, den die Netzbetreiber vornehmen müssen (Redispatch), auf alle Verbraucher*innen umgelegt . Allein diese beiden Effekte haben Mehrkosten im Rahmen der Netzentgelte und höhere CO2-Emissionen aus fossilen Kraftwerken zur Folge. Diese Phänomene sind nicht nur ineffizient, sondern auch so widersinnig, dass sie die Energiewende als Gesamtprojekt in Frage stellen können. Sie widersprechen dem gesunden Menschenverstand so sehr, dass kein kommunikatorisches Framing der Welt sie mehr retten kann. Und sie widersprechen dem Prinzip: Intelligente Regulierung bringt die Kostenvorteile der Erneuerbaren Energien zum Verbraucher*innen. Hier besteht also hoher Veränderungsdruck. Denn: das alles wird durch den Netzausbau nur scheinbar behoben: Selbst wenn die Leitungskapazität auf 18 GW erhöht werden kann (und es hat 20 Jahre gedauert um 4 GW zu bauen), reicht das ganz augenscheinlich nicht um 200 GW PV, 150 GW Onshore-Wind oder 80 GW Offshore- Wind zu transportieren. Speicher und eine dezentrale Integration sind unumgänglich, auch wenn wir die Übertragungsnetze wie geplant ausbauen.Dabei lassen wir bewusst offen, wie viele regionale Energiemärkte in Deutschland entstehen sollen – zwischen 2 und 36 ist alles drin – und wie scharf sie geographisch abgegrenzt werden müssen.
- Engpässe im Verteilnetz: Sie sind aktuell die größte praktische Hürde beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Anlagen über 30 kW müssen jahrelang auf erste Genehmigungen warten. Der Ausbau von Leitungen und Transformatoren geht nur langsam voran. Dazu kommt, dass auch die Mehrzahl der Situationen, in denen Wind- und Solaranlagen trotz gutem Wind und Wetter nicht produzieren können (Abregelungen), auf Verteilnetz-Engpässe zurückgeht. Das Verteilnetz ist jedoch normalerweise zu weniger als 40% ausgelastet. Es bestehen kostengünstige Möglichkeiten die Netzauslastung zu verbessern, z.B. durch Digitalisierung, Lastmanagement, Speicherung und lokale Sektorenkopplung. Die Verteilnetzbetreiber sollten substanzielle Anreize bekommen und verpflichtet werden, diese zu nutzen und für ihre Kund*innen zugänglich zu machen.Unser Leitbild ist der engagierte Verteilnetzbetreiber. Vordringliche Priorität bei der Gestaltung der Netzentgeltsystematik hat die Anreizwirkung für die Kundinnen. Vordringliche Priorität bei der Gestaltung der Einkommensobergrenzen der Netzbetreiber hat die Effektivität und Effizienz der Einbindung Erneuerbarer Energien.
- Bürokratie: Viele der Regelungen im Energiemarkt sind hyperbürokratisch. Die „Besondere Ausgleichsregelung“ für stromintensive Betriebe im Rahmen der EEG- Umlage hatte zum Beispiel so viele Dokumentationspflichten (z.B. wie viele Mitarbeiterinnen laden ihre privaten Handys und Fahrrad-Akkus im Büro), dass ihr Wegfall teilweise ganze Planstellen überflüssig machte. Die von der Mieterstromförderung abgeforderten Zählerkonzepte konnten schon mal 40% der Gesamtkosten ausmachen und haben viele Projekte unwirtschaftlich werden lassen. Diese Bürokratie hat oft den berechtigten Hintergrund, dass man bei Subventionstatbeständen keinerlei Abschöpfung zulassen möchte. Der bürokratische Aufwand sollte jedoch trotzdem die möglichen Abschöpfungen nicht übersteigen. Und in vielen Fällen war der eigentliche Hintergrund oft, dass man Veränderungen im Markt möglichst geringhalten möchte, und daher direkt oder indirekt die Energiewende mithilfe von bürokratischen Regelungen hemmte. Das dürfen wir nicht zulassen.
- Finanzielle Unterstützung: Die bestehenden Programme der BAFA und der KfW im Gebäudebereich werden einer grundsätzlichen Evaluierung auf Mitnahmeeffekte bei Käuferinnen und Lieferantinnen unterzogen.
- Zum „umgekehrten Erbbaurecht“: Es ist möglich und sinnvoll, kommunale Vorkaufsrechte auf gemeinnützige (z.B. genossenschaftliche) Strukturen übertragbar zu machen und über rechtliche Regelungen wie z.B. ein umgekehrtes Erbbaurecht die Finanzierbarkeit von Heizungstausch und energetischer Sanierung zu verbessern, insbesondere auch für diejenigen Zielgruppen, die von Banken als nicht kreditwürdig eingestuft werden oder keine Kredite aufnehmen wollen.
- Weitere Finanzierunsgideen: Zusätzlich können staatliche, öffentlich-rechtliche oder genossenschaftliche Garantiemechanismen rechtlich ermöglicht und/oder staatlich unterstützt werden, die z.B. Energie- und CO2-Einsparungen beleihbar machen oder alternative Sicherheiten bieten oder akzeptieren. Hier bietet sich ein großer und bisher undiskutierter und unerschlossener Raum für neue Finanz- und Absicherungsinstrumente.